Charles De La Fosse (1636-1716)

Die Geburt der Minerva, ca. 1707

Das Werk ist eine vorbereitende Ölstudie für ein Fresko. Charles de la Fosse hat es auf Bestellung des wohlhabenden Finanzfachmanns Pierre Crozat an die Decke seines Hauses in Paris gemalt. Es ist leider nicht mehr erhalten. Dargestellt ist Minerva, Göttin der Weisheit, die triumphierend mit Helm, Schild und Lanze unter Obhut des Gottes des Feuers und der Schmiede, Vulkan, in den Wolken schwebt. Minerva und Vulkan bilden hier zusammen mit der liegenden Figur von Jupiter im Hintergrund und Merkur im Vordergrund eine ansteigende Treppe, die den Blick des Beobachters in den Mittelteil der Komposition hineinführt. In diesem Mittelpunkt liegt erschöpft Jupiter, der, der griechischen Legende nach, Minerva aus seinem Gehirn gebar, nachdem Vulkan, auf Jupiters Bitte, seinen schmerzenden Kopf mit einer Axt entzweigeschnitten hatte. Um dieses Zentrum sind die Wolken und Figuren wie in einem Strudel angeordnet und verleihen der Komposition Bewegtheit.  

Die meisterhafte Ölskizze zeigt die Frische und Leichtigkeit des Frührokoko, der sich schon von der Pracht und Schwere des Spätbarocks befreit hat. Die Ikonographie des Barocks macht Platz für lebhafte Darstellungen, in welchen die Formen verfeinert sind, die Farben glänzen und sich eine neue Lebensfreude zeigt.   

Charles de La Fosse, in Paris 1636 geboren und dort 1716 gestorben, erhielt eine vielfältige malerische Ausbildung, die die französischen, flämischen und italienischen Maltraditionen vereinte. Er studierte bei Charles Le Brun und bildete sich von 1658 bis 1663 in Rom, Parma und Venedig weiter. Durch diese drei Hauptstationen verbindet er den Kolorismus von Tizian und Rubens, die farbliche und formale Zartheit der Figuren Correggios sowie die perspektivischen Unteransichten der Deckenmalerei von Guercino, Pietro da Cortona und Giovanni Lanfranco zu seiner persönlichen Handschrift.

Das Werk bereichert die Hamburger Kunsthalle in ihrer Sammlung am Übergang zwischen Barock und Klassizismus. Diese Skizze zeugt von der Fröhlichkeit und Vergänglichkeit der Epoche. Die Skizze von La Fosse ermöglicht es, einen Blick auf die Vorbereitungsphase einer Unteransichten der französischen Deckenmalerei des sogenannten Stils Ludwig XIV. zu werfen. Die Wellenlinie, in diesem Bild bestimmend und zugleich eines der Grundelemente des Rokoko, wird in den Traktaten von Charles Alphonse Du Fresnoy (L´Art de Peinture, 1688) und William Hogarth (Analysis of Beauty, 1753) gelobt als Merkmal von Anmut und Schönheit. Die lange unverdient vernachlässigte Figur von La Fosse stellt eine wichtige Etappe des sogenannten »Grand goût« im 18. Jahrhundert und hin zum Aufblühen der Kunst von Boucher, Fragonard und Watteau dar.